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Sigi Weiss

Persephone, die Königin der Unterwelt

Aktualisiert: 17. Apr. 2020

Persephone hat viele Gesichter: sie ist die Göttin des Frühlings, aber auch die Königin der Unterwelt und des Totenreiches.


Wie so viele griechische Mythen beginnt sie damit, dass sich Hades, der Gott der Unterwelt in Kore (das Mädchen) verliebt. Kore ist die Tochter Demeters, der fruchtbaren Vegetationsgöttin und Herrscherin über die Natur, und des Zeus. Sie ist wunderschön und man erzählte sich, dass unter ihren Füßen Blumen erblühen. Hades umwirbt das junge Mädchen, doch dieses hat keine Lust in der sonnenlosen Unterwelt zu leben, und weist ihren dunklen Verehrer ab.


Der Raub der Persephone

So kommt es zum vielbesungenen Raub der Persephone durch den Herrscher des Totenreiches. Als Kore in der Ebene von Nysa mit Artemis, Athene und den Meeresnymphen Blumen pflückte, stellte Hades ihr eine Falle. Er ließ eine wunderschöne Narzisse wachsen, und als Kore sich bückte, um diese zu pflücken, stieg Hades aus den Tiefen der Erde empor und entführte Kore auf seinem Gespann in die Unterwelt. Ihre Hilfeschreie wurden von ihrem Vater Zeus ignoriert, schließlich war Hades sein Bruder und er stellte sich unwissend.


Die Hilferufe der Kore aber verloren sich tief unter der Erde, so dass nur ein leises Echo zwischen den Felsen zu hören war, und die Quellen ein leises Murmeln hören ließen.

Hier kommt eine weitere uralte Göttinnen-Gestalt ins Spiel. Denn so schnell Persephones Entführung geschah, eine Zeugin gab es: die Zauberin, Prophetin und Göttin des Totenreiches, die weise Hekate. Und sie, die mit den Toten und den Göttern sprechen konnte, lieferte Demeter in ihrer verzweifelten, rasenden Suche den entscheidenden Hinweis auf den Entführer. Und so vernahm auch die Erdgöttin Demeter schließlich den Hilferuf ihrer Tochter.


Demeter ist über den Verlust ihrer Tochter von Sinnen, und da sie eine Göttin der Fruchtbarkeit und Herrin des Pflanzenreiches ist, lässt sie die Erde verdorren, der Winter kommt über das Land und nichts kann ohne ihr Wohlwollen wachsen. Die Tiere werden unfruchtbar und über die Menschen kam eine Hungersnot, kein Kind wurde geboren.

Die Götter des Olymp schien das vorerst nicht zu stören, und sie beschieden der wütenden Demeter, dass Kore, die ab nun Persephone genannt wurde, sich mit ihrem Schicksal als Ehefrau des Hades abfinden solle. Denn Hades sei ein mächtiger Ehemann, der für Persephone sorgen könne.


Die Rache der Demeter

Dies ist eine der Stellen, an denen wir die Bruchstellen zwischen des alten kleinasiatischen matriarchalen Kulturen und Kulten und der antiken, olympischen Kultur klar sehen können. Die bereits patriarchalen olympischen Götter nicken eine erzwungene Ehe ab – der alten Fruchtbarkeitsgöttin aber, der Wurzeln im Kybele Kult zu finden sind, versteinert das Herz. Und wenn ihr Herz versteinert, kann nichts gedeihen. Sie denkt nicht daran, dies hinzunehmen, isst und trinkt nicht und sucht ihre Tochter in allen Ecken des Landes.


Die Königin der Unterwelt


Was tut Persephone, während ihre Mutter während ihrer verzweifelten Suche nach ihr die Erde verdorren lässt? Sie fügt sich in ihr Schicksal erzählt der Mythos, doch eigentlich ergreift sie die Macht. Nach einer Zeit der Wut und des Widerstandes setzt sie sich auf den Thron der Unterwelt und ergreift das Zepter. Man sagt, dass sie die Gesetze des Totenreiches nun durchsetze und ihre Gatte Hades mache, was sie wolle. Aus dem jungen Mädchen Kore wird die Königin der Unterwelt, die ihren Thron besteigt, sich ihrer Macht bewusst wird.

Doch der Moment, an dem die olympischen Götter begreifen, dass sie bald nichts mehr zu beherrschen haben, kommt. Zeus sendet Hermes, den Götterboten zu Hades, um ihn zu überzeugen, Persephone wieder freizugeben. Er muss sich Demeters Widerstand beugen.


Die geheimnisvollen Granatapfelsamen

Nun folgt eine weitere spanende Episode: Hades ließ für Persephone einen Garten errichten – ein Zeichen, dass Persephones dunkles Reich nicht unfruchtbar ist. Unter all den edlen Pflanzen wuchs in der Mitte ein Granatapfelbaum. Und obwohl Persephone bis dahin noch nichts in Unterwelt gegessen hatte, kostete sie vier Samen von dem Granatapfel. Wen würde das nun nicht an Eva im Paradies erinnern?


Dies hatte Folgen. Denn die Gesetze der drei Moiren, der Schicksalsweberinnen, die Persephone mit Sicherheit kannte, besagen, dass niemand, der in der Unterwelt etwas gegessen hatte, diese wieder verlassen kann. Es kam zu einem Handel: Persephone sollte vier Monate bei ihrem Gatten in der Unterwelt herrschen und die übrigen acht Monate bei ihrer Mutter, der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter verbringen. Und wieder taucht die Magierin Hekate auf, die ihr mit ihrer Fackel den Weg ans Licht weist.


Die dreifache Göttin

Diese Episode verdeutlicht einerseits die Verbundenheit der Demeter mit der Natur, der Landwirtschaft und vor allem mit den Jahreszeiten. Persephone wird nach ihrer Reise in die Unterwelt von neuem zur Frühlingsgöttin, die alles erblühen lässt. Da die Griechen in der Antike nur drei Jahreszeiten, nämlich Sommer, Winter und Frühling zählten, repräsentieren Kore, Demeter und Persephone diese.


Zugleich sind sie aber die uralte dreifache Göttin: Kore das junge Mädchen, Demeter die reife, fruchtbare, gebärende Frau und die dunkle Göttin Persephone. Weibliche Spiritualität ehrt diese Zyklen in vielfacher Hinsicht. Sie finden Entsprechungen in den Mondzyklen, dem Sichelmond, dem Vollmond und dem Neumond. Und in den Phasen der Blutungen der Frau, die mit den Mondzyklen korrespondieren. Und als junges Mädchen vor der Menarche in weiß symbolisiert wird, als fruchtbare, schöpferische Frau in der Farbe rot und als alte Frau in der Farbe schwarz. Heilige Farbe, die immer wieder zu finden sind.


Samen werden im Dunkeln gepflanzt

Persephone steht aber nicht nur für den Wandel der Natur im Jahresrad, sondern auch für seelische Prozesse. Denn während Persephone in der Unterwelt weilt, stellt sie sich den Schatten, der Dunkelheit und den schmerzhaften Erfahrungen. Sie reift und wächst an ihrem wilden Ritt durch das Reich des Hades. Doch sie verzweifelt nicht, sie gibt nicht auf – im Gegenteil – sie ergreift die Macht, sie erobert Thron und Zepter. Denn das ist eine Wahrheit: Das eigene Königinnenreich ist nicht nur auf Blumen alleine gebaut. Es gibt Verluste zu betrauern, Schmerzen und Konflikte tauchen auf, die Schatten des Unterbewussten wollen gesehen werden. Dort kommt ja auch wieder Hekate mit ihrer Fackel ins Spiel.


Es ist der Wandel, ihr Reifungsprozess, die sie zur Frühlingsgöttin und Königin der Unterwelt zugleich machen. Und auch die Granatapfelsamen stehen für einen Gedanken: Denn so wie Samen in die Erde gelegt werden müssen, um zu keimen und zu wachsen, barg Persephone die Granatapfelsamen in sich selbst. Dies ist der Schatz, den sie aus der Dunkelheit brachte: Die Samen für neues Leben, neue Ideen, Lebensabschnitte und Vorhaben. Der Baum der Erkenntnis der griechischen Mythologie steht nicht im Paradiesgarten, sondern im Garten des Persephone.

Persephone flüstert: Ich bin die Wandelbare, Königin der Toten und Göttin des Frühlings. Denn der Same keimt im Dunkeln, so dass mein dunkles Reich der Schoß für alle Dinge ist. Nehmt Euer zyklisches Wesen an, das Licht und Schatten im ewigen Wandel durchwandert.

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